Grenzenloses Arbeiten in Deutschland: Geht das?

Hintergrund

Um insbesondere für gesuche Spezialistinnen und Spezialisten attraktiv zu sein, bieten Arbeitgeber zunehmend die Möglichkeit an, temporär oder sogar permanent im Ausland tätig zu sein, also sprichtwörtlich “grenzenlos” zu arbeiten.

Dies gilt nicht nur für deutsche, sondern auch für ausländische Arbeitgeber. In unserer Beratungspraxis erhalten wir insbesondere seit dem Beginn der Corona-Pandemie vermehrt Anfragen zu diesem Thema.

Neben den Motiven des Arbeitgebers spielt häufig auch eine Rolle, dass Arbeitnehmer beispielsweise näher bei der Familie in Deutschland wohnen, gleichzeitig aber ihren Arbeitsplatz in einem anderen Land behalten möchten. Es gibt eine Reihe von Gründen, warum der (physische) Arbeitsplatz nicht notwendigerweise im Wohnsitzland liegt.

Steuerlich führt das “grenzenlose” Arbeiten zu Herausforderungen, die im Folgenden am Beispiel zusammengefasst werden. Da jeder Fall individuell zu betrachten ist, sollte die folgende Zusammenfassung auch nicht als Handlungsempfehlungen angesehen, sondern als Anreiz sich weiter mit dem Thema zu beschäftigten und steuerlichen Rat einzuholen.

Steuerliche Herausforderungen am Beispiel

Mitarbeiter lebt in Deutschland und arbeitet für eine ausländische Firma

Der spanische Mitarbeiter M (ledig) lebt das ganze Jahr in Deutschland und möchte für Unternehmen U in Spanien arbeiten. M arbeitet ausschliesslich im Home Office für U. U hat in Deutschland bisher weder ein rechtliche Einheit, noch eine Betriebsstätte gegründet.

Steuerlich ergeben sich die folgenden, wesentlichen Herausforderungen:

  • U muss für M monatliche Lohnabrechnungen in Deutschland durchführen und Lohnsteuern an das deutsche Finanzamt abführen. Dazu muss sich U in Deutschland als Arbeitgeber registrieren lassen. Das ist mit zusätzlichem Aufwand und Kosten für U verbunden, da aufgrund der Komplexität die Lohnabrechnung häufig durch externe Anbieter (Steuerberater) durchgeführt wird.
  • Viel wichtiger ist aber, dass die steuerliche Registrierung von U in Deutschland zu einer Betriebsstättenbesteuerung von U führen kann. Bei der Frage, ob eine Betriebsstätte vorliegt, entscheidet das nationale Recht in Verbindung mit dem Abkommensrecht (Doppelbesteuerungsabkommen, DBAs). Da die nationalen Regelungen und jeweils anzuwendenden DBAs oft sehr unterschiedlich sind, ist eine Prüfung des Einzelfalls notwendig. Beispielsweise kommt es oft darauf an, welche Rolle der Mitarbeiter im Unternehmen hat, d.h. ob es sich zum Beispiel um einen Vertriebsmitarbeiter mit Fokus auf Deutschland oder um eine interne Rolle im Unternehmen handelt.

Neben steuerlichen Aspekten ist zudem zu prüfen, ob in Deutschland eine Sozialversicherungspflicht eintritt, da sich M mehr als 25% seiner Zeit in Deutschland aufhält.

Macht es Sinn alternativ als Freelancer zu arbeiten?

Häufig überlegen ausländische Unternehmen, die in Deutschland keine rechtliche Einheit oder eine Betriebsstätte begründen wollen, den “Mitarbeitern” eine Vertrag als Freelancer an. In diesem Fall entfällt für das Unternehmen nicht nur die Verpflichtung der steuerlichen Registrierung, sondern auch das Risiko der Betriebsstättenbesteuerung.

Für den betroffenen Freelancer ergibt sich daraus die Verpflichtung einer steuerlichen Registrierung und Steuern (Einkommensteuern, Umsatzsteuern ggf. Gewerbesteuern) an das deutsche Finanzamt abzuführen. Dies ist normalerweise mit einem Kostenaufwand verbunden, da aufgrund der Komplexität des deutschen Steuerrechts häufig die Hilfe eines Steuerberaters in Anspruch genommen wird.

Für das Unternehmen besteht ein hohes Risiko, dass die Tätigkeit des Freelancers als sog. Scheinselbständigkeit eingestuft wird, denn in den meisten Fällen betreut der Freelancer nur einen Kunden. Falls eine Scheinselbständigkeit des Freelancers vorliegt, wäre das Unternehmen verpflichtet, auch für die Vergangenheit Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Daher sind Lösungsmöglichkeiten im Individualfall zu erarbeiten.

Fazit

Das deutsche Steuer- (und Sozialrecht) bietet derzeit unzureichende Möglichkeiten, um für Unternehmen und Mitarbeiter “grenzüberschreitendes” Wohnen und Arbeiten attraktiv zu gestalten.

Aufgrund der zunehmenden Internationalisierung und Virtualisierung der Arbeitswelt besteht unseres Erachtens dringender Handlungsbedarf, insbesondere zu den folgenden Aspekten:

  • Schaffung von einheitlichen nationalen und abkommensrechtlichen Betriebsstättendefinitionen
  • Begrenztes grenzüberschreitendes Arbeiten sollte nicht automatisch zur Betriebsstättenproblematik führen
  • Die Registrierung als Arbeitgeber, die Abführung der Lohnsteuer, sowie die Abgabe einer Einkommensteuererklärung in Deutschland sollte für ausländische Unternehmen mit Mitarbeitern in Deutschland erst nach einer gewissen Anzahl von Tagen notwendig sein. Dies gilt natürlich umgekehrt auch für deutsche Unternehmen, die Mitarbeiter ins Ausland senden

Quelle: NWB, EY

Photo: Hunters Race, Unsplash

Haftungsausschluss: Wir übernehmen keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Informationen. Die hier aufgeführten Informationen stellen keine Handlungsempfehlungen dar.

 

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